Fachwerk: Das Magazin der Denkmalpflege

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Titel
Fachwerk. Das Magazin der Denkmalpflege. La revue du Service des monuments historiques


Herausgeber
Erziehungsdirektion des Kantons Bern, Amt für Kultur, Denkmalpflege
Reihe
Jahrgang 2014
Erschienen
Bern 2014: Erziehungsdirektion des Kantons Bern
Anzahl Seiten
64 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Georg Germann

Die bernische kantonale und die städtische Denkmalpflege begnügten sich lange mit periodischen Berichten in dieser Zeitschrift. Die Denkmalpflege des Kantons Bern veröffentlichte dann die Berichte 1979 – 2004 in zwei Bänden (Zürich: gta Verlag, 2008, 2011), die Denkmalpflege der Stadt Bern ihre Vierjahresberichte in einer eigenen Reihe seit 2009 (Zürich: Chronos). In der Art der Berichterstattung haben diese Dienststellen nun die Norm erreicht, die der Züricher Archäologe und Denkmalpfleger Walter Drack bereits 1961 gesetzt hatte. Wie ungefähr gleichzeitig Basel-Stadt (2010), Luzern (2011) und Solothurn (2014) in ihren Denkmalpflege-Jahresberichten, hat die Denkmalpflege des Kantons Bern heute zu einem Stil gefunden, welcher der Absicht, publikumsnahe zu sein, entspricht. Dazu gehören der Haupttitel Fachwerk, die Bezeichnung Magazin im Untertitel, neun klug gewählte Hauptrubriken und die passende Gestaltung (Bernet & Schönenberger, Zürich).

Die neue Berichterstattung fügt sich, politisch gesehen, in die «Kulturpflegestrategie des Kantons Bern», die der Grosse Rat im Januar 2015 durch einschränkende «Planungserklärungen» ergänzt hat.

Der Jahrgang 2014 von Fachwerk ist ein Heft von 64 Seiten. Erziehungsdirektor Bernhard Pulver eröffnet es mit einem Geleitwort. Im Vorwort führt der Leiter der Denkmalpflege, Michael Gerber, aus: «Die Erstausgabe […], eine Sonderausgabe […], bietet […] eine exemplarische Auswahl von 30 Restaurierungen aus der Zeitspanne von 2005 – 2013.» Damit wird die Lücke zwischen der Periode 1979–2004 und der neuen alljährlichen Berichterstattung geschlossen. «Daneben stehen ausführliche Darstellungen einzelner Bauten und Themen im Zentrum. Dabei ist uns die Architektur der 1960 erund 1970er- Jahre ein besonderes Anliegen: Modernisierung und energetische Verbesserung sind mit der Denkmalpflege vereinbar […].»

An Berner Beispielen zeigen Jürg Hünerwadel und Robert Walker, wie man die energiefressenden Bauten der Boomjahre sanieren kann, ohne den Auftrag der Denkmalpflege zu verraten; sie weisen auch darauf hin, dass bei der Revision des Bauinventars die Zeitgrenze einheitlich bei 1990 liegt. Zwei weitere Artikel gelten dem sanierungsbedürftigen Freibad in Adelboden von 1931 (Fabian Schwarz) und dem 2012 einem Neubau geopferten Kino Rex in Thun von 1952 (Peter Bannwart), also einem gefährdeten und einem verlorenen Objekt.

Im neuen Konzept des Jahresberichts finden auch kurze Forschungsberichte Platz, so der über die Rankendecke von 1684 und ihre Vorlagen im Ochsen der Burgdorfer Oberstadt (Georges Herzog).

Auf die sieben je zwei Seiten füllenden Berichte folgen die 30 Ausgewählten Objekte 2005 – 2013, denen je eine Spalte im dreispaltigen Satz eingeräumt wird. Auf einen äusserst knappen, stets erhellenden Text folgen in einem Kasten: Adresse, Bauzeit, Datum und Art der Denkmalpflege-Massnahme, Bauherrschaft, Architekten, Restauratoren, Handwerker, Bauberater der Denkmalpflege, Datum der Unterschutzstellung und finanzielle Beiträge.

In der Rubrik Entdeckung finden wir die 1644 gemalten, 2013 entdeckten Jagdszenen im Schloss Belp, das nach der kantonalen Verwaltungsreform (davon später) von der Gemeinde Belp erworben wurde, um als Musikschule, Ortsmuseum und Konzertsaal zu dienen (Barbara Frutiger). Von grossem Wert ist die «Auswahl weiterer Bauprojekte 2005 – 2013», immerhin 91 Objekte, mit einem angemessenen Anteil im Französisch sprechenden Kantonsteil. Die Berichterstattung wäre unvollständig, wenn nicht – neben dem schon beklagten Kino Rex in Thun – vier in der Berichtsperiode abgebrochene Bauten aufgeführt und abgebildet würden.

Das Heft schliesst mit Neuerscheinungen, Die Denkmalpflege in Zahlen, Termine, Einblicke (Randi Sigg-Gilstad zeigt die Restaurierung eines Ofenhaus-Speichers als Gemeinschaftswerk der siebenköpfigen Besitzerfamilie), Personelles, Ausblick und Impressum. Fachwerk 2015 enthält erstmals einen einzigen Jahresbericht der Denkmalpflege des Kantons Bern. Auf das Geleitwort von Hans Ulrich Gerber, dem Vorsteher des Amts für Kultur des Kantons Bern, betreffend Kulturpflegestrategie folgt das Vorwort von Michael Gerber, der in das aktuelle Hauptthema «Schlösser» einführt. Der erste Beitrag ist ein Nachruf auf Hermann von Fischer, den ersten amtlichen Denkmalpfleger des Kantons, verfasst von Bernhard Furrer. Interieurs aus allen Epochen galt Hermann von Fischers besonderes Interesse, bemerkt Furrer im Hinblick auf die von jenem eingerichteten und betreuten bernischen Schlossmuseen und auf die Forschungen über die Ebenistenfamilie Funk.

Die am 1. Januar 2010 in Kraft getretene Verwaltungsreform verringerte die Zahl der Amtsbezirke; sie führte zum Verkauf der bisher von Bezirksverwaltungen besetzten und weiterer Schlösser. «Einfach zu vermitteln und zu nutzen sind namentlich die Grossobjekte nicht, wie der nun schon länger dauernde Leerstand etwa von Burgdorf, Laupen, Trachselwald und Aarwangen belegt», schreibt Jürg Schweizer, der Nachfolger von Fischers als Denkmalpfleger, in seinem Artikel «Die reiche Schlösserlandschaft im Kanton Bern». Schweizer behandelt sodann «Schlossmuseen und Museumsschlösser » (Burgdorf, Hünegg, Jegenstorf, Landshut, Oberhofen, Schadau, Spiez, Thun) und Daniel Furter stellt als Projektleiter den Weg zu einer koordinierenden Schlossmuseumsstrategie vor. Das betrifft die Nutzung, doch auch Unterhaltsarbeiten kommen zur Sprache; die Autoren Jürg Schweizer, Randi Sigg-Gilstad und Michael Gerber behandeln sie an fünf Beispielen: Thun, Burgdorf, Amsoldingen, Kiesen und Jegenstorf; immer geht es zuerst um die Dichtigkeit der Dächer und der Fassaden. Nebenbei bemerkt Schweizer, dass Schloss Burgdorf der erste Backsteinbau in der Schweiz seit der Römerzeit ist. Bereits im Heft 2014 wurde der gemalte Jagdfries im Schloss Belp als «Entdeckung» vorgestellt; im Heft 2015 folgt nun die Berichterstattung über den gesamten Festsaal von 1644, die geglückte Wiederherstellung und die kunsthistorische Einreihung der gemalten Dekoration in eine hypothetische Werkgruppe des Meisters «Marti von Brugg» (Restauratoren Fischer & Partner, Baugeschichte Matthias Kilchhofer, Würdigung Georges Herzog). 23 Farbabbildungen auf zwei Einlageblättern zeigen die heute bekannten Dekorationsmalereien dieses Marti von Brugg.

Das Thema Schlösser wird abgerundet durch den Artikel «Schlossparks – gestaltete Natur» mit Leitsätzen wie: «Gartenanlagen gehören untrennbar zu unseren Schlössern und Landsitzen. Ihre Erforschung und langfristige Erhaltung ist ebenso wichtig wie diejenige der Hochbauten.» Behandelt werden die jüngsten Massnahmen am Schadaupark, am Schloss Jegenstorf, am Landsitz Eichberg in Uetendorf, am Hofgut und am Schloss Muri-Gümligen (Katja Köhler Schneider, Jürg Hünerwadel, Andrea Zellweger). In der Rubrik Im Gespräch interviewt Michael Gerber den Schlossherrn und Landwirt Sigmund von Wattenwyl in Oberdiessbach. Dieser erinnert sich dankbar: «Einen ganz wesentlichen Einfluss hatte in den ersten Jahren Heinz Zwahlen von der Denkmalpflege, er war für mich mein denkmalpflegerischer Lehrmeister.» Die Überleitung zu den technischen Denkmälern leistet der Artikel über die Sanierung und Restaurierung der nach Plänen von Eduard Joos gebauten BLS-Bahnhöfe: Mülenen (1908), Frutigen (1913) und Spiez (1915).

Im Rahmen der Industriearchäologie bilden die mobilen Denkmäler eine besondere Kategorie. Fachwerk 2015 behandelt die Probleme unter dem Titel Vom Dampfschiff zum Opel ‹Montage Suisse› – die Denkmalpflege als Partnerin bei der Erhaltung und Restaurierung von mobilem technischem Kulturgut. Die Beispiele sind: der Salon- Raddampfer Lötschberg der BLS auf dem Brienzersee (Baujahr 1914), der Leichttriebzug Blauer Pfeil der BLS (Baujahr 1938) und die Dampfwalze von Aveling & Porter, genannt Helene (Baujahr 1911). Ein eigener Abschnitt gilt den Automobilen und Motorrädern und allgemeiner dem Umgang mit grossen Serien. Die Denkmalpflege bringt bei Restaurierungs- und Erhaltungsvorhaben ihr Fachwissen ein und beurteilt für den Lotteriefonds Beitragsgesuche für mobile Kulturgüter (Thomas Hurschler und Hans Peter Würsten).

Die Denkmalpflege legt sodann unter dem Titel Bauen als Gemeinschaftswerk eine kleine Untersuchung über Bauinschriften an Bauernhäusern vor, ergänzt durch Archivstudien. Hier lernen wir seltene Fälle von Bauherrinnen und (Därstetten, Argel) den mutmasslichen Versammlungsraum einer pietistischen Gemeinschaft kennen.

Das zentrale Thema der Umnutzung von Baudenkmälern kommt in der Rubrik Berichte am Beispiel des ehemaligen Amtshauses von Aarwangen von 1826 zur Sprache, das nach einer ersten Etappe der Sanierung mit Restaurierung des Innern von Fürst Laffranchi Bauingenieure GmbH als Bürogebäude genutzt wird (BRF LAB Architekten GmbH Langenthal, Bauberatung Eva Schäfer).

Weitere Restaurierungsberichte, alle auf zwei Seiten zusammengefasst und illustriert, gelten dem Wohnhaus Biel, Rosiusstrasse 3 (Ende 18. Jahrhundert, Umbau 1916 durch Emanuel Jirka Propper), dem Gasthof Bären in Langnau (um 1730), dem Wohnhaus «Saali» in Saanen (Löchlistrasse 11, 1708, anscheinend wenig später von dem damaligen Besitzer, dem Kastlan Johannes von Siebenthal, mit heraldischer Giebelmalerei versehen), den drei grossen Stadtbrunnen von Saint-Imier (alle mittleres Drittel des 19. Jahrhunderts) und dem Pestalozzischulhaus in Thun (1908–1909, Architekten Grütter & Schneider und Hans Tschaggeny).

Die Rubrik Aktuelle Objekte wird mit einer Absichtserklärung eingeleitet: «Als Ergänzung zu den ausführlichen Darstellungen im Hauptteil des Magazins illustrieren die 30 Objekte das breite Spektrum der Tätigkeit der Bauberatung und der sie unterstützenden Bauforschung und Inventarisation. Die Denkmalpflege kommt damit ihrer gesetzlich verankerten Berichterstattungspflicht nach. Die Berichterstattung ist aber nicht nur Pflicht, sondern ein wichtiges Mittel zum Dialog mit der Öffentlichkeit und mit den Partnern und Bauherrschaften. Erst das Engagement der Besitzerinnen und Besitzer sowie der beteiligten Fachleute aus Architektur und Handwerk zusammen mit der Denkmalpflege macht es möglich, dass unsere Baudenkmäler langfristig erhalten werden können.»

Wie im Heft 2014 sind unter den Rubriken Berichte und Aktuelle Objekte die technischen Angaben in einem Kasten aufgelistet. Das entlastet die durchweg mit einem Foto illustrierten einspaltigen Kurzberichte und gestattet die Ausrichtung auf das jeweils Besondere, eingeleitet durch die Objektbezeichnung, z.B. «Buanderie de la fin du 19 e siècle» und einen passenden Untertitel, hier «Un témoin d’un autre âge» (Crémine, Le Crêt 105 a). Die Texte sind von bewundernswerter Kürze und Dichte, die Entscheidungskriterien mehr pragmatisch als theoriesüchtig: Es wird nicht nur «konserviert», sondern auch mit Bedacht «restauriert».

Unter der Rubrik Entdeckungen treten «Gessler hoch zu Ross, Wilhelm Tell und Sohn Walter» auf, und zwar auf einem Wandgemälde des 17. Jahrhunderts in einem bäuerlichen Wohnhaus in Gsteig bei Gstaad (Restaurierung Fischer & Partner, Archivrecherchen Bendicht Hauswirth). Mit 3 – 10 Zeilen im vierspaltigen Satz wird ferner eine Auswahl weiterer Bauprojekte 2013 – 2014 vorgestellt. Es folgen Verlorene Bauten und eine Würdigung des Ende 2014 in Pension gegangenen «wissenschaftlichen Allrounders» Hans Jakob Meyer, einst Mitverfasser des Forschungsberichts zur Burg Nydegg (1991).

Der Rezensent liess sich anfänglich von dem metaphorischen Titel Fachwerk und dem an die Kunstwelt erinnernden Untertitel Magazin beirren: Konnten das wirklich das richtige Label und die richtige Publikationsform eines Denkmalpflege-Jahresberichts sein? Mit fortschreitender Lektüre hat er jedoch alle Vorurteile abgebaut und ist nun davon überzeugt, dass die Formel stimmt und eine zeitgemässe Lösung für den Jahresbericht einer Dienststelle ist, deren Auftrag im Guten wie im Schlechten Emotionen weckt und deren Entscheidungsbefugnisse so gering sind, dass sie überzeugen muss, um zu wirken.

Zitierweise:
Georg Germann: Rezension zu: Fachwerk. Das Magazin der Denkmalpflege. La revue du Service des monuments historiques, Herausgeber: Erziehungsdirektion des Kantons Bern, Amt für Kultur, Denkmalpflege, Bern 2014 . Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 1, 2016, S. 112-116.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 1, 2016, S. 112-116.

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